„Weniger Traffic“, „wir werden alle Verlierer sein, G gewinnt“, „die verbleibenden User kaufen dann nicht mehr“: Diese und ähnliche Eindrücke sind in den vergangenen Tagen entstanden, wurden in Foren geäußert oder in Gesprächen innerhalb meines Teams zitiert. Hintergrund ist die neue Anzeigenpositionierung bei Google AdWords. Die Suchmaschine hat die Anzeigen aus der rechten Spalte neben den organischen Ergebnissen entfernt und einen Teil oberhalb und unterhalb der SERP wieder eingefügt. Insgesamt stehen nun weniger Anzeigenplätze zur Verfügung, maximal sieben. Die Befürchtung einiger Branchenmitglieder: Die Kosten für AdWords müssen zwangsläufig steigen, weil die Konkurrenz aufgrund des geringeren Platzangebots wächst!

Zu einigen Keywords finden User drei bis vier Top-Anzeigen im oberen Sichtfeld und drei Buttom-Ads unterhalb der organischen Ergebnisse. So zieht Google die Trefferliste deutlich in die Länge, was für die mobile Anwendung einen deutlichen Vorteil bringt. Ganz im Sinne von „mobile first“. Man bleibt im Fluss, die Aufmerksamkeit bleibt beim Scrollen auf einer Linie. Aber war es das dann bereits mit den Vorteilen der neuen AdWords Anzeigen? Sind wir wirklich alle Verlierer dieser Veränderung? Blüht uns das Traffic-Inferno, das WWW-Aus? Was bleibt sind nur noch Videos von süßen Katzen und lachenden Babys?

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Suchanfrage für „Sportschuhe“, Darstellung Top-Ads, Product Listing Ads und News, Screenshot 17.03.2016

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Suchanfrage für „Reise“, Darstellung der Bottom-Ads, Screenshot 17.03.2016

Bislang kein dramatischer Anstieg der Klickpreise

Einen ersten Anhaltspunkt für die nun folgenden Anpassungen im Performance Marketing und der Suchmaschinenoptimierung bietet eine Analyse von Intelli Ad und Ad Agents: Die Durchschnittspreise für die Ads auf Desktop-Ebene sind vorläufig nicht oder nur minimal gestiegen. Ermittelt wurde eine Erhöhung um 2 Prozent pro Anzeigenklick. Wer in die Top 3 Positionen investiert hat, zahlte sogar nur 1 Prozent mehr vom Anzeigenpreis. Ob sich das in Zukunft ändern wird und der Preiskampf um die nun nur noch sieben Top-Positionen beginnt? Wahrscheinlich. Vor allem weil Advertiser nun, um einen möglichen Traffic-Einbruch durch fehlende Preisanpassung zu kompensieren, ihre Gebote anpassen und damit zwangsläufig den Klickpreis erhöhen.

Weitere Erkenntnisse der Stichprobe:

  • etwa 67 % des Klickanteils verteilte sich auf die Top-Ads
  • bei rund 19 % des Klickanteils lagen die Bottom-Ads, in der mobilen Suche sogar 24 %
  • die erste Anzeige unterhalb der organischen Suche erzielte sogar mehr Klicks als die Top 2
  • gegenüber den bisher seitlich platzierten Anzeigen wurden die Bottom-Ads dreimal so häufig geklickt

Basis der Analyse sind eine Million Klicks vor und nach der AdWords Umstellung sowie Klickmessungen via Smartphone.

Was bedeutet das neue Adwords-Layout für SEA und SEO?

Sicherlich sind die Auswirkungen der AdWords Umstellung für die Suchmaschinenwerbung prägend. Aber auch hinsichtlich der Suchmaschinenoptimierung wird sich für die Spezialisten und Agenturen einiges verändern. Grundsätzlich gilt heute mehr denn je: Die Seite 1 ist die Nummer 1! Wer Traffic will, muss innerhalb der ersten Ergebnisseite gelistet sein – entweder unter den Anzeigen oder in den Suchtreffern. Bei den Ads erhält allein die erste Position mehr als 50 % der Klicks. Aber: Wer in die weiteren Positionen investiert, kann durchaus guten Traffic erhalten. Und teilweise sogar deutlich günstiger als für die Top 1.

Absehbare Folgen für Advertiser und Agenturen, die für Ihre Kunden AdWords Kampagnen aufsetzen und umsetzen: Die Ausweichmöglichkeit auf die oberen Side-Ads, die ebenfalls als „above the fold“-Anzeigen von Bedeutung waren, ist ausradiert. Die Bedeutung der maximal vier Top-Ads wächst dadurch sicherlich rasant an. Kaum verwunderlich, dass die Advertiser dann auch ihre Klickpreise wie bereits erwähnt erhöhen, um im Wettbewerb zu bleiben. Und wer nicht auf den Top-Ads verweilen kann, kämpft künftig um die Bottom-Ads, um die folglich auch der Wettbewerb steigen wird. Zumal sich ohnehin schon abzeichnet, dass die Bottom-Ads deutlich besser ankommen als die bisherigen Anzeigen in der Sidebar, obwohl diese bereits auf den ersten Blick sichtbar waren.

Was könnten nun die ersten Schritte sein?

  • Flüchten Sie jetzt nicht in Ihren Adwords-Account und stecken alles Vermögen in die Ad-Gebote. Konzentrieren Sie sich zunächst auf den Qualitätsfaktor, der bekanntermaßen mitentscheidend für die Anzeigenposition und den CPC ist. Wichtig: Die Keywords mit den besten Conversion sollten hoch bewertet sein, ggf. muss man hier eine Optimierung durchführen, um den Qualitätsfaktor zu steigern. Eventuell muss man hier auch hinsichtlich der Regionen und Tageszeiten etwas ausprobieren.
  • Bewirkt die Optimierung nicht viel, sollten die Gebote leicht angehoben werden, um die Anzeigenposition verteidigen zu können.
  • Wer für die gestiegenen Klickpreise entlohnt werden möchte, kann sich an die Optimierung der Landingpages machen, um die Conversionrate zu steigern. Oftmals lohnt sich hier ein Blick auf die mobilen Seiten, die nicht immer vollends optimal eingerichtet und aufgestellt sind.
  • Möchte man sich grundsätzlich nun etwas mehr auf die mobile Suche konzentrieren, sollt sich die Anpassung der Anzeigentexte der Mobile Ads, um hier gezielt Traffic und Conversion generieren zu können.
  • Da die Product Listing Ads zu den wenigen Anzeigen zählen, die nach wie vor rechts von den organischen Ergebnissen erscheinen, gilt es hier verstärkt zu optimieren.

Und unter den SEOs beginnt jetzt das große Heulen?

Vorweg: die klassische Top 10 gibt es in den SERPs nicht mehr. Für uns SEOs waren die ersten zehn Suchtreffer immer das ultimative Mekka erfolgreicher Webseiten. Schließlich konzentriert sich seit Jahren ein Großteil des Traffics auf die erste Ergebnisseite und innerhalb dieser zehn Positionen auf den oberen Teil. Wenn man nun stichprobenartig einige Keywords in die Google-Maske eintippt, erscheinen nur neun Positionen in den organischen Ergebnissen – dem Zentrum der Suchmaschinenoptimierung. Ergänzt werden diese durch Ergebnisse aus der vertikalen Suche wie News oder Bilder. Die rechte Spalte bleibt leer gefegt, lediglich Product Listing Ads (Shopping-Ergebnisse) werden hier angezeigt. Alternativ rutschen diese über die Top-Ads. Deutlich anzeigenfreier wird die Trefferliste bei regionalen Anfragen, dann treten die Ergebnisse aus Google Maps in den Vordergrund. Schließlich hat man so die Chance, den User länger auf internen Diensten zu halten. Besser, als ihn direkt an ein externes Suchergebnis zu verlieren. Für wen die lokale Suchmaschinenoptimierung sinnvoll ist, sollte die Chance jetzt nutzen.

Google wirft jetzt bis zu vier Top-Ads aus

Vier Top-Ads plus die lokalen Ergebnisse bei der Suchanfrage zu „Hotel Düsseldorf“ verdrängen die organischen Treffer nach unten, Screenshot 17.03.2016

 

Grundsätzlich gilt es nun sich neben der Suchmaschinenwerbung mit der SEO zu befassen. Angenommen Produkte lokaler Anbieter sollen platziert werden, bekommt man es nun teilweise mit zwei Top-Anzeigen und drei Treffern aus Google Maps als Gegner zu tun. Unter Umständen muss der User erst scrollen, bevor er die erste organische Position sieht. Umso bedeutsamer werden die ersten Positionen innerhalb der organischen Ergebnisliste. Auch lässt sich natürlich mit Suchmaschinenoptimierung auf mittelfristige Sicht ein gestiegener Klickpreis kompensieren.

Die Gewinner und Verlierer der neuen AdWords Anzeigen?

Nach verschiedenen Analysen viel nur ein geringer Anteil der Klicks auf die Side-Ads. Die Anzeigen über den Suchergebnissen wurden bis zu 14-mal so häufig geklickt als ihre Nachbarn von der rechten Spalte. Advertiser könnten nun stark profitieren, da sie für ihre Maßnahmen nun in den vier Top-Ads mehr Klicks generieren können. Hinzu kommt nun, dass Google bei allen Anzeigen die Site-Links auswirft, die Werbetreibende und Dienstleister zuvor nur bei einigen ihrer Ads sehen konnten. Damit wächst die Darstellung der Anzeigen – und verdrängt die organischen Ergebnisse immer mehr in den nicht sichtbaren Bereich. So gesehen gehören vor allem jene Unternehmen, die auf Suchmaschinenoptimierung setzen, zu den Verlierern der neuen Ads. Werden bei einer Suchanfrage die Anzeigen der Top-Positionen mit Ergebnissen aus der Shopping-Suche oder lokalen Suche ergänzt, wird der User erst scrollen müssen, um zu den organischen Ergebnissen zu gelangen. Das freut natürlich Google, denn nun wollen Dienstleister und Werbetreibende natürlich verstärkt in den sichtbaren Teil, zahlen also auch höhere Klickpreis. Da fließt Geld in die googleschen Kassen. Deutlich gewichtiger wirken sich die Veränderungen der Ads auf neue Unternehmen am Markt aus, die sich erst etablieren müssen – auch in den Suchergebnissen. Da Suchmaschinenoptimierung zwar langfristig gute Erfolge in Traffic und Conversions bietet, aber auch ein relativ langwieriger, fortlaufender Prozess ist, der erst in Gang kommen muss, verschaffen AdWords Anzeigen vor allem in den Anfängen eines Unternehmens erste Sichtbarkeit. Nun werden die Ads teurer, sodass vor allem finanzstarke Unternehmen hier agieren können, und die Suchmaschinenoptimierung wird schwieriger, was durchaus eine Investition ins Budget und in die Zeit ist. In den Anfängen kann ein Betrieb oftmals mit beidem nicht wirklich dienen. Die Änderung der Adwords-Anzeigen lässt sich durchaus sehr kritisch betrachten, da Google nicht nur die Kriterien für die Suchmaschinenoptimierung definiert, sondern nun auch Advertiser zu höheren Ausgaben „zwingt“. Die Chancen bei kaufkräftigen Keywords ohne Anzeigen im sichtbaren Bereich der SERPs zu sein, sind geringer geworden. Aber die genauen Entwicklungen lassen sich sicherlich erst in einiger Zeit absehen.